Laufende Forschungsprojekte
Gesellschaftliche Integration und nationale Identität
Migration und Integration stellten für die Bundesrepublik seit ihrer Gründung eine politische und soziale Herausforderung dar und bargen zugleich Potential für wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen. Die Aufnahme erfolgte in einer Gesellschaft, die zwischen Kriegsende und Wiedervereinigung fundamentale Wandlungen durchlief und auf der Suche nach dem eigenen Selbstverständnis war. Für den westdeutschen Protestantismus bedeuteten die Zuwanderungen Anlass zu humanitär-diakonischem Engagement, aber auch zu sozialethischer Stellung- und Einflussnahme. In den protestantischen Beiträgen zu den Debatten um Migration und Integration wurden - je nach Migrantengruppe und Zuwanderungszeitpunkt - durchaus unterschiedliche ethische und politische Themen explizit und implizit verhandelt. Ebenso variierten die protestantischen Debattenakteure und die von ihnen gewählten Aktions- und Sozialformen.
In der ersten Projektphase standen die konfliktualen Integrationsdebatten nach einer erzwungenen Massenmigration in den gleichen Nationalverband im Focus: Analysiert wurden protestantische Vorstellungen von der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Integration der Ostvertriebenen in die westdeutsche Gesellschaft. Dabei wurden die Integrationsdebatten der fünfziger und sechziger Jahre auch als gesellschaftliche Selbstverständigungsdiskurse interpretiert, in denen Modernisierungs- und Transformationsprozesse diskursiv verarbeitet wurden.
In der zweiten Projektphase stehen Debatten über eine fortlaufende Zuwanderung von Migranten unterschiedlichster Herkunftsgebiete und deren individuelle Motive im Mittelpunkt. Damit verlagert sich der Akzent auf die jeweilige Aufnahmesituation und die Aufnahmeverfahren sowie auf die bundesdeutsche Aufnahmebereitschaft im Spannungsfeld von nationalen Interessen und humanitärer Solidarität.
Publikationen:
Felix Teuchert: Die verlorene Gemeinschaft. Der Protestantismus und die Integration der Vertriebenen in die westdeutsche Gesellschaft (1945-1972). Göttingen 2018.
Claudia Lepp: Die Vertriebenenproblematik auf den frühen Kirchentagen: Herausforderung und Chance. In: Ellen Ueberschär (Hg.): Deutscher Evangelischer Kirchentag. Wurzeln und Anfänge. Gütersloh 2017, 204-219.
Felix Teuchert: Integration und Religion. Theologische und historische Überlegungen zur Integration der Ostvertriebenen in die evangelische Kirche, in: Theologie.Geschichte 12 (2017).
Claudia Lepp: Die demokratische Ordnung als Gegenstand des deutsch-deutschen Kirchendialogs. In: Hans Michael Heinig (Hg.): Aneignung des Gegebenen - Entstehung und Wirkung der Demokratie-Denkschrift der EKD. Tübingen 2017, S. 23-50.
Claudia Lepp: Hat die Kirche einen Öffentlichkeitsauftrag? Evangelische Kirche und Politik seit 1945, in: Christoph Landmesser/Enno Edzard Popkes (Hg.): Kirche und Gesellschaft. Kommunikation – Institution – Organisation. Leipzig 2016, 107–130.
Claudia Lepp: Radiointerview für den Beitrag "50 Jahre danach. Die Wirkungsgeschichte der Ostdenkschrift der EKD“, Deutschlandfunk vom 21.10.2015. Verfügbar unter: http://www.deutschlandfunk.de/50-jahre-danach-die-wirkungsgeschichte-der-ostdenkschrift.886.de.html?dram:article_id=334508
Claudia Lepp: Polityczny, spoleczny i kościelny kontekst powstania Memorandum Wschodniego / Der politische, gesellschaftliche und kirchliche Kontext der Entstehung der Ostdenkschrift. In: Na drodze pojednania – 50-lecie Memorandum Wschodniego Kościola Ewangelickiego w Niemczech / Auf dem Weg zur Versöhnung – Zum 50. Jahrestag der Ostdenkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland. Warszawa 2015, 28–62.
Claudia Lepp: Der Protestantismus in den Debatten um gesellschaftliche Integration und nationale Identität. In: Christian Albrecht/Reiner Anselm (Hg.): Teilnehmende Zeitgenossenschaft. Studien zum Protestantismus in den ethischen Debatten der Bundesrepublik 1949-1989, Tübingen 2015, S. 65-80.
Felix Teuchert: Normativer Anspruch, theologische Deutung und soziologische Analyse. Die evangelische Akademie Hermannsburg-Loccum in den Debatten über die Integration der Ostvertriebenen in die westdeutsche Gesellschaft. In: ebd.
Felix Teuchert / Philipp Stoltz: Integration durch Architektur? Überlegungen und Beobachtungen zum Zusammenhang von Vertriebenenintegration und Kirchbau in der Nachkriegszeit, in: MKiZ 9 (2015), 41–66.
Felix Teuchert: Identität im Konflikt. Die Integration der Ostvertriebenen im deutschen Protestantismus und die Bewältigung kultureller und konfessioneller Differenz. In: Zeitschrift für Kirchengeshichte 128 (2017), S. 339-354.
Felix Teuchert: Integration und Religion. Theologische und historische Überlegungen zur Integration der Ostvertriebenen in die evangelische Kirche. In: Theologie. Geschichte 12 (2017).
Claudia Lepp (zus. mit Christiane Kuller): Der Protestantismus in den Arenen des Politischen. Eine zeithistorische Perspektive. In: Albrecht, Christian / Anselm, Reiner (Hg.): In Verantwortung. Der Protestantismus in den Arenen des Politischen. Tübingen 2019, 315-324.
Jonathan Spanos: Anwaltschaftliche Verantwortung? Politische Einflussnahme des Flüchtlingsbeirats der EKD in den 1950er und 1960er Jahren. In: Albrecht, Christian / Anselm, Reiner (Hg.): In Verantwortung. Der Protestantismus in den Arenen des Politischen. Tübingen 2019, 141-163.
Claudia Lepp (Hg.): Christliche Willkommenskultur? Die Integration von Migranten als Handlungsfeld christlicher Akteure nach 1945. Göttingen 2020.
Jonathan Spanos (zus. mit Malte Hakemann): Grenzen des Dialogs: Die Debatte um die Asylrelevanz von Folter in den 1980er Jahren. Zwischen juristischer Skepsis und protestantischem Engagement. In: Zeitschrift für Evangelisches Kirchenrecht 65 (2020), 172-203.
Jonathan Spanos: Flüchtlingsaufnahme als Identitätsfrage. Der Protestantismus in den Debatten um die Gewährung von Asyl in der Bundesrepublik (1949-1993). Göttingen 2022.